Jakob Stainer (Jacobus Stainer) – der Wanderer. Ein Geigenbauer im Zeitalter des Zweifels

Die Geschichte von Jakob Stainer (Jacobus Stainer) und der Stainer Geige, ein Geigenbauer im Zeitalter des Zweifels

Die Lebensgeschichte des Tiroler Geigenbauers Jakob Stainers (1618-1683) erscheint in ihrem enigmatischen Wechselspiel von derben Anekdoten, beispiellosen handwerklichen Leistungen und einer überraschenden geistigen Zeitgenossenschaft wie ein unkonventionelles Porträt jener widersprüchlichen Epoche, in die Jakob Stainer als der wohl bedeutendste europäische Geigenbauer außerhalb Italiens zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges hineingeboren wurde. Sie spiegelt in ihren Höhen und Tiefen die Spannungen seiner Zeit, die eine Zeit des Zweifels war; und die mit Jakob Stainer eine eine rastlose, immer wieder scheiternde und doch Maßstäbe setzende Persönlichkeit hervorbrachte.

Übersicht:

Kindheit und Jugend Jakob Stainers

Jakob Stainers Lebensweg begann in denkbar einfachen, armen Verhältnissen: Um das Jahr 1618 – die Forschung diskutiert verschiedene Möglichkeiten zwischen 1617 und 1621 – wurde Jakob Stainer als Sohn eines Bergknappen geboren. Aber er konnte zur Schule gehen und erhielt – als Sängerknabe in Hall oder am Innsbrucker Hof – eine musikalische Grundbildung. Hinweise aus späteren Briefen legen nahe, dass Jakob Stainer auch das Geigenspiel mindestens ansatzweise erlernt hat; eine Qualifikation, die Stainer, wie er schreibt, als durchaus „notwendig und dienlichen“ für Geigenbauer erachtete.

Lehrjahre: War Jakob Stainer ein Amati-Schüler?

Wie Jakob Stainer zum Geigenbau fand, ist nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung nicht nachzuvollziehen, und die Frage nach seinem Lehrmeister ist ein Rätsel, das Anlass zu vielen Spekulationen gibt. Absolvierte er seine ersten Lehrjahre bei einem Tischler in seiner Tiroler Heimat, wie es den Zunftregeln entsprochen hätte? Und ging er anschließend nach Cremona, oder gar in die berühmte Werkstatt Amati, wie ein rätselhafter Geigenzettel nahezulegen scheint? Wir wissen es nicht. Viel spricht dafür, dass Jakob Stainer die Innovationen des italienischen Geigenbaus kannte – und sehr gut kannte –, sich als junger Handwerker aber intensiv mit einer süddeutschen Tradition auseinandersetzte. Dass er sie perfektionierte und zum Maßstab einer Epoche der Geigenbaugeschichte machte, kann als der Kern seiner musikhistorischen Leistung gelten. So ist vorstellbar, dass er zwar in Italien, aber bei einem dort ansässigen deutschen Geigenbauer ausgebildet wurde, wie es sie z. B. in Venedig, wohin er offenbar Verbindungen pflegte, gab – wenn für diese Hypothese auch materielle Belege fehlen. 

Wanderjahre des jungen Geigenbauers Jakob Stainer

Ende der 1630er Jahre war Jakob Stainer in seinem Beruf angekommen und führte das Leben eines wandernden Handwerkers, der seine Instrumente direkt zu Auftraggebern und möglichen Interessenten brachte oder sie auf Märkten anbot, und seinen Lebensunterhalt ansonsten mit Reparaturarbeiten bestritt, wo sie gebraucht wurden. In seiner Tiroler Heimat dürften sich auch immer wieder Gelegenheiten durch den regen Handel an der Fernstraße von Verona nach Augsburg ergeben haben, die, in Form der Autobahn A12/E60 bis heute besteht und die Dörfer des Inntals wie eine Perlenkette verbindet.

Jakob Stainers frühesten signierten Geigen datieren aus dem Jahr 1638; ein Verkauf an den Salzburger Hof ist 1644 dokumentiert, und bald folgten Aufträge aus München und vom Innsbrucker Hof. Sie belegen den wachsenden Erfolg des jungen Geigenbauers, der den Preis seiner Geigen in dieser Zeit von ca. 4 auf mehr als 20 Gulden steigern konnte und 1645 in der Lage – resp. Notlage – war, eine Familie zu gründen, wurde Stainers erste Tochter doch kurz vor der Hochzeit geboren. Entsprechend der traurigen Normalität seiner Zeit sollten von den 9 Kindern, die Jakob Stainer mit Margareta Holzhammer, der Tochter eines Haller Bergmeisters bekam, nur 3 ihre Eltern überleben.

Jakob Stainer und die Schulden – ein Lebensthema

Es gehört zu den besonderen Charakteristika dieser Handwerker-Biographie, dass Jakob Stainers Aufstieg von einem frühen Zeitpunkt an mit Schuldgeschäften verbunden war – die dem Bergmannssohn manche Tür öffneten, ihn aber auch ein Leben lang, ja über seinen Tod hinaus verfolgten. Die Zeit, in der Stainer sein geigenbauerisches Hauptwerk schuf und zu einer prägenden Gestalt der europäischen Geigenbaugeschichte aufstieg, lässt sich auch als eine dramatische Geschichte von in Anspruch genommenen und gewährten Darlehen, verspäteten Tilgungen und Zinszahlungen sowie massiver Liquiditätskrisen beschreiben. In gewisser Weise ist Stainers Biographie damit typisch für den Übergang zum Frühkapitalismus, der zu den großen Bewegungen seiner Zeit gehört.

Gleich das erste aktenkundige Finanzgeschäft ist dafür ein schillerndes Beispiel. Im Jahr 1646 übernahm Jakob Stainer einen Schuldtitel seines Schwiegervaters, der, von seinen Verpflichtungen als Bergmeister wirtschaftlich überfordert, dem Erzherzog Ferdinand Karl eine größere Summe schuldete. Stainer bot an, den Betrag durch die Lieferung von Instrumenten zu begleichen, um dafür sukzessive von seinem Schwiegervater ausgezahlt zu werden. Eine bemerkenswerte und kluge Konstruktion, insofern sich der junge Geigenbauer damit einen neuen Weg erschloss, seine Geigen zu verkaufen, und zugleich eine Tür zum erzherzoglichen Hof öffnete. Zu guter Letzt erhielt Jakob Stainer für die initiale Lieferung von Instrumenten und Saiten im Wert von 30 Gulden eine Rate von 50 Gulden – und setzte den kurzfristig gewonnenen Liquiditätsvorteil sogleich in eine Reise nach Venedig um, wohl mit dem erklärten Ziel, Materialien zu beschaffen.

Rund eineinhalb Jahre dauerte diese Handelsfahrt, und als Jakob Stainer zurückkehrte, wurde der familiäre Schuldtitel an den Hofmusiker Christoph Hegele übertragen und kurz danach erlassen. Ein seltsames Ende dieser Transaktion, das zur Spekulation anregt: Hatte der Hof wegen Jakob Stainers langer Abwesenheit die Geduld verloren? Hatten sich dem geschäftssinnigen Meister neue, bessere Optionen eröffnet? Fragen, wie sie an zahllosen Stellen der Lebensgeschichte Jakob Stainers zu stellen sind.

Weitere Reisen führten den Wanderer Jakob Stainer in den Jahren 1650-55 nach München, Venedig, Bozen und Brixen. Dass Stainerim Jahr 1652 eine von vielen folgenden Taufpatenschaften übernahm und 1653 selbst als Zeuge bei einer Schuldverschreibung fungieren konnte, deutet darauf hin, dass sich seine wirtschaftliche Situation und damit sein bürgerlicher Status stabilisierten. 1655 verkaufte Stainer eine kunstvoll verzierte Geige für 30 Gulden nach München – den Betrag, den er wenige Jahre zuvor noch für mehrere Instrumente im Rahmen der Schuldverschreibung an den Erzherzog berechnet hatte.

Jakob Stainer etabliert sich in Absam

Tatsächlich ermöglichten der wachsende Erfolg und eine Erbschaft im schließlich, sich 1656 in Absam sesshaft zu machen und als Geigenbauer seine Werkstatt zu etablieren. Durch einen Häusertausch innerhalb der Familie und eine Zuzahlung, für die er sich mit der stattlichen Summe von 150 Gulden verschuldete, erwarb er das Haus in Absam, in dem er den Rest seines Lebens verbringen und arbeiten sollte. In dieser Zeit erhielt Jakob Stainer auch ein Wappen, das seinen verbesserten Status dokumentiert.

1658 erfolgte Jakob Stainers Ernennung zum „Erzherzoglichen Diener/Hoflieferanten“ durch Graf Ferdinand Karl von Tirol, als verspätete Dividende seiner langjährigen Bemühungen um den Innsbrucker Hof. Dieser Titel war ein wichtiger Schlüssel für Stainers Erfolg; in unmittelbarer Folge bekam er Bestellungen des spanischen Königshofes, und sein Absatzgebiet erweiterte sich kontinuierlich, auch über den deutschsprachigen Raum hinaus, sogar bis nach Italien: So besaß etwa der Komponist und Virtuose Antonio Veracini 10 Stainer Geigen, die die Hälfte seiner Sammlung ausmachten.

Ecken und Kanten: Jakob Stainer als Kind seiner Zeit

Die Lebenszeit Jakob Stainers war das konfliktgesättigte 17. Jahrhundert, eine Zeit der politischen und gesellschaftlichen Unruhe, des Umbruchs in allen Bereichen des Lebens. Jakob Stainer, der Wanderer, hatte seinen Lebensmittelpunkt im habsburgischen Tirol, einem der Kernländer der Gegenreformation – das freilich nicht ganz unberührt geblieben war von den revolutionären protestantischen Lehren, die bis in die kleinsten Dörfer hinein mal offener, mal im Verborgenen gehört und weitergesagt wurden. Die wirtschaftlichen Umwälzungen, initiiert durch den Dreißigjährigen Krieg und die wachsenden Finanznöte des Adels, ließen keine Schicht der sich neu formierenden Gesellschaft unangetastet, und so ist es kein Wunder, dass auch ein Geigenbauer wie Jakob Stainer seinen Teil an den Spannungen der Epoche zu tragen hatte. Umso mehr, als Jakob Stainer in den erhaltenen Dokumenten als eine für seinen Stand als Geigenbauer außergewöhnlich gebildete, kluge, aber auch schwierige Persönlichkeit erkennbar wird.

So gehört zu den geringeren Konflikten, die sich in der „Akte Stainer“ finden, eine Schlägerei mit Absamer Bauern im Jahr 1659, die in wechselseitige Schadenersatzforderungen mündete. 1661 hatte sich Jakob Stainer einem gerichtlichen Mahnverfahren zu stellen, anlässlich einer von ihm angefochtenen Rechnung, und wurde zur Zahlung von 50 Gulden verurteilt.

Der Häresieprozess gegen Jakob Stainer

Neben solchen kleineren juristischen Scharmützeln steht der Ketzereiprozess gegen Jakob Stainer und seinen Freund Jacob Meringer, der ihn seit 1668 über zwei Jahre beschäftigte, in Haft führte und das historische Bild Stainers als einer unbotmäßigen, bis zur Sturheit geradlinigen Persönlichkeit prägt. Formal ging es bei der Auseinandersetzung, aus der sich die weltliche Gerichtsbarkeit soweit irgend möglich heraushielt, um den Fund verbotener, kirchenkritischer Bücher bei Jacob Meringer – der sich mit der Anschuldigung zu entlasten suchte, er habe sie von Jakob Stainer erhalten. Im Kern stand wahrscheinlich eine Denunziation, denn jakob Stainers Verhältnis zu seinen Mitmenschen war nicht immer unbelastet – und die Eloquenz, die man ihm im Laufe des Verfahrens bescheinigte, dürfte manchen Konflikt in der kleinen Absamer Welt zusätzlich angeheizt haben. Dass ein solcher, mithin nachbarschaftlicher Konflikt im Hintergrund gestanden haben dürfte, belegen auch die wiederholten Forderungen Stainers und Meringers, die Behörden mögen doch endlich einmal die Namen der Zeugen nennen, die gegen sie ausgesagt hatten. So wenig sie die gewünschte Auskunft erhielten, so entschieden boykottierten sie das Verfahren – Jakob Stainer mit dem wiederholten Hinweis, wegen seiner vielen Arbeit und seiner hochrangigen Auftraggeber unabkömmlich zu sein. Die Eskalation führte die beiden Angeklagten schließlich ins Gefängnis, in dem sie die verhängte Strafe zu einem maßvollen Bußritual herunterhandeln konnten – was sie allerdings nicht daran hinderte, gleich im Anschluss ihren Verdienstausfall und ihre Unkosten durch das Verfahren (wenngleich erfolglos) einzuklagen.

Es gehört zu den Widersprüchlichkeiten dieser Zeit, dass jakob Stainer während des laufenden Ketzerprozesses, in dem er zeitweilig exkommuniziert wurde, seinen Geschäften als Geigenbauer durchaus weiter nachgehen konnte. Sogar aus dem Arrest heraus konnte er sich einen großen Auftrag des Bischofs von Olmütz sichern, und lieferte während des Verfahrens Instrumente nach Wien, ausgestattet mit kaiserlichen Zollprivilegien. Selbst der 1662 erloschene Dienstbrief des Erzherzogs, der Jakob Stainer die Stellung eines Hoflieferanten gewährt hatte, wurde 1669 durch ein kaiserliches Privileg erneuert – was ein ganz eigenes Licht auf das Verhältnis von geistlicher und weltlicher Macht im erzkatholischen Habsburgerreich der Gegenreformation wirft.

Wirtschaftliche Turbulenzen

In dieser ebenso unruhigen wie erfolgreichen Zeit hatte Jakob Stainer zunehmend mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen, die ihre Ursachen zum Teil in seinem eigenen Finanzgebaren, zum Teil in der schlechten Zahlungsmoral seiner Kunden und dem Umgang der ebenfalls klammen Obrigkeit mit ihren Schulden fanden. 1667 rettete eine Umschuldung die wirtschaftliche Existenz der Familie, als jakob Stainer das Darlehen, das er 10 Jahre zuvor für den Kauf seines Hauses aufgenommen hatte, nicht zurückzahlen konnte. 1677 musste er einen alten Schuldtitel des verstorbenen Erzherzogs in Höhe von 450 Gulden abschreiben, da der kaiserliche Hof seine Verantwortung als Rechtsnachfolger der mit Ferdinand Karl erloschenen Linie der Habsburger verleugnete.

Obwohl Jakob Stainers Instrumente nach wie vor sehr gefragt waren, musste er immer wieder schmerzhafte Konzessionen eingehen – wie der Verkauf einer Gambe an Ferdinand Stickler, den Dekan der Pfarrkirche Meran, im Jahr 1678 beispielhaft zeigt: Während Stickler das Instrument mit Wein bezahlen wollte, bot Jakob Stainer ihm einen hohen Barzahlungs-Rabatt an: 16 Taler sollte das Instrument kosten, das er zu anderen Zeiten für den doppelten Betrag hätte verkaufen können, inklusive einer kostenlosen Aufwertung mit einem Löwenkopf statt einer Schnecke und einer Rücknahmegarantie bei Nichtgefallen.

Jakob Stainers Krankheit und Tod

Es ist nicht zu beweisen, aber auch nicht auszuschließen, dass diese Probleme ihren Anteil an dem sich kontinuierlich verschlechternden Gesundheitszustand Jakob Stainers hatten; eine Entwicklung, die um 1675 einsetzt und sich ab 1680 immer deutlicher in seinen Geschäftsbeziehungen niederschlägt. Während die Quellenlage eine medizinische Diagnose verbietet, erweckt Stainers geschäftliche Korrespondenz doch stark den Eindruck einer manisch-depressiven, in jedem Fall aber psychischen Erkrankung, die seine handwerklichen Fähigkeiten aber erstaunlicherweise unberührt ließ. Gerade in dieser Phase entstanden die schönsten Stainer Geigen, und noch 1679 erhielt er einen Großauftrag des Münchner Hofes, der mit einer Anzahlung von 150 Gulden für mehrere Instrumente verbunden war.

Doch diese Lichtblicke konnten die Lage offenkundig nicht mehr wenden, und so wurde Jakob Stainer 1682, nachdem er wieder einmal Zinszahlungen versäumt hat, gerichtlich unter Vormundschaft gestellt. Sein Schwiegersohn Blasius Keil, der mit seiner 1678/79 verstorbenen Tochter Maria verheiratet gewesen war, sprang ein und erklärte sich auf Vorschlag des amtlichen Pflegers bereit, das Haus Stainers zu kaufen, dem gemeinsam mit seiner Frau Margareta ein lebenslanges Wohnrecht zugestanden wurde. Noch bevor der Plan in die Tat umgesetzt werden konnte, starb Jakob Stainer im Herbst 1683; das genaue Datum seines Todes ist nicht bekannt. 1689 folgte ihm Margareta.

Epilog

1694 musste sich Blasius Keil vor Gericht verantworten, weil er den Grundzins für das Anwesen, das er schließlich aus dem Nachlass erworben hatte, schuldig geblieben war. Die Schulden, das Lebensthema des Geigenbauers Jakob Stainer, waren wieder da.

Notizen zum Werk Jakob Stainers

Jakob Stainers letzte Violine entstand 1682, kurz vor seinem Tod, und befindet sich heute im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum. Trotz der schlechten Verhältnisse, in denen seine spätesten Instrumente entstanden, arbeitete er als Geigenbauer bis zuletzt auf einem denkbar hohen Niveau. Wegen dieser hohen Konstanz seines persönlichen, vielfach nachgeahmten Stils lassen sich, im Unterschied zu vielen anderen namhaften Geigenbauern, die Phasen im Gesamtwerk Jakob Stainers nur schwer voneinander abgrenzen.

Als kennzeichnend für das Stainer-Modell wird neben der besonderen Form der F-Löcher in aller Regel die „hohe“ Wölbung genannt. Ohne auf die Feinheiten der Decken- und Bodengestaltung durch Stainer im Detail einzugehen ist doch festzuhalten, dass die Höhe der Wölbung zwar einen markanten Unterschied insbesondere im Vergleich mit dem später dominanten Modell des Antonio Stradivari markiert – die unverkennbare Charakteristik von Stainer Geigen aber vor allem in einer besonderen, plateauartigen Gestaltung der Decke liegt; dies gilt insbesondere gegenüber anderen, hochgewölbten Violinmodellen des deutschen Sprachraums.

Ihre besondere Qualität verdanken die Geigen Jakob Stainers zudem weniger einzelnen baulichen Besonderheiten, die, isoliert betrachtet, das Geheimnis des bis weit ins 18. Jahrhundert hinein so hochgeschätzten „silbernen Klangs“ (voce argentina) ausgemacht hätten. Analog zum Werk Antonio Stradivaris waren es nicht zuletzt das Talent, die große Erfahrung und die kompromisslose Sorgfalt, mit der Jakob Stainer seine Instrumente baute – angefangen bei der Wahl der Tonhölzer, die er persönlich auf tagelangen Wanderungen durch die Täler seiner Heimat aussuchte, wobei er, nach eigenem Bekunden, die besten Bäume nach Geruch, Geräusch und Farbe identifizierte.

Anders als die frühe Stainer-Forschung angenommen hatte, gab er sein Wissen auch an keinen Schüler weiter, sondern arbeitete Zeit seines Lebens weitgehend allein und entfaltete seinen grenzüberschreitenden Einfluss nur durch die Qualität seiner Instrumente und ihren ausgezeichneten Ruf, der sich noch zu seinen Lebzeiten in alle Lande verbreitete. So folgte die englische Geigenbautradition als Ganze für lange Zeit seinem ausschließlichen Vorbild, das aber auch in Stammländern des Geigenbaus wie Frankreich und Italien maßgebliche Bedeutung erlangte – wo zahlreiche Meister und Werkstätten auch jene Legionen von gefälschten Zetteln in besseren und schlechteren Geigen nach Jacobus Stainer produzierten, die die instrumentengeschichtliche Forschung bis heute beschäftigen.

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