Die Ära der Manufakturen von Mirecourt

Zur Geschichte der industriellen Streichinstrumentenfabrikation in Frankreich
Teil 1: Entstehung des Manufakturwesens in Mirecourt

Das Glück des Kunsthandwerkers liegt, wenigstens im geschäftlichen Leben, nicht unbedingt in der Vollkommenheit einzigartig gelungener Werke – sondern oft genug im Treffen des rechten Mittelmaßes. Mit dieser Erkenntnis begründete Didier l‘Ainé Nicolas im späten 18. Jahrhundert eine neue Ära des Geigenbaus in seiner Heimatstadt Mirecourt: Anstatt sich auf erstklassige Instrumente zu konzentrieren, die zu bauen er durchaus in der Lage war, fertigte er preisgünstige, aber klangstarke Geigen nach einfacheren handwerklichen Standards, die seinen Kunden gleichwohl die gewünschten musikalischen Eigenschaften boten. Der überregionale Erfolg, der sich bald einstellte, gab ihm Recht: 1802 beteiligte er sich als erster Mirecourter Instrumentenbauer an einer Ausstellung, 1806 erhielt er in Paris eine Silbermedaille. Wichtiger als diese Daten ist aber, dass seine Manufaktur in den letzten Jahren seines Lebens rund 600 Arbeiter beschäftigte, und so als der erste Großbetrieb ihrer Art in der traditionsreichen Vogesenstadt gelten kann.

Didier Nicolas war der lokale Exponent einer Veränderung, die damals auch andere europäische Geigenbauzentren ergriff. Neben der – nirgends ganz aufgegebenen – traditionellen Form des Handwerks, das der Geselle vom Meister lernt und das bevorzugt innerhalb der Familie weitergegeben wird, etablierte sich eine Massenproduktion, die eine stetig wachsende, großräumige Nachfrage bediente. Arbeitsteilige, bald maschinell unterstützte Verfahren sicherten eine zwar nicht exzellente, aber verlässliche Qualität, und lösten die individuelle Meisterarbeit durch das wiedererkennbare und besser vermarktbare Profil von Instrumenten-Serien ab. Vertretungen in den größeren Städten des Landes, allen voran natürlich Paris, und internationale Handelsbeziehungen sicherten den Absatz dieser in enormen Stückzahlen hergestellten Musikinstrumente.

Mit der Manufaktur von Didier Nicolas hatte die Expansion des industriellen Geigenbaus allerdings noch lange nicht ihr Maximum erreicht, und rückblickend auf diese bis in die späten 1960er Jahre währende Epoche sind vor allem drei Unternehmen zu nennen, die den französischen Geigenbau geprägt haben und Mirecourt in aller Welt repräsentierten:
Jérôme Thibouville-Lamy, die Unternehmen der Familien Laberte und Couesnon.

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