Mittenwald Geigenbau „In media silva“

Der Geigenbau in Mittenwald: Zur Geschichte des Geigenbaus im oberen Isartal

Wie und warum der Geigenbau nach Mittenwald in Bayern kam: ganz wissen wir es nicht, auch wenn an dem Anfang seiner Tradition mit Matthias Klotz (1653-1743) ein großer Meister seiner Zunft steht. Die Geigenbaugeschichte liebt ihre Gründerfiguren, sei es der mythische Tywersus von Mirecourt, der große Andrea Amati von Cremona oder der Nestor des vogtländischen Geigenbaus Caspar Hopf. Genie und Legende gehören zu den Lebensgeschichten der großen Meister, die stets zu einem angemessenen Teil im Dunkel liegen. So ist auch über den Lebensweg des Matthias Klotz manch ein reizvoller Schleier gebreitet: Welchen Rückweg nach Mittenwald nahm der Schneidersohn nach seiner Ausbildung zum Geigenbauer in Padua? Wo und für wen hat er in dieser Zeit gearbeitet, welches Wissen, welche Einflüsse aufgenommen? Und hat er auf seinen Wegen den großen Jakob Stainer im nachbarschaftlichen Absam besucht?

Geigenbau in Mittenwald

Übersicht:

Standortbedingungen des frühen Geigenbaus in Mittenwald

Greifbarere Anhaltspunkte, warum Mittenwald als eine „mitten im Wald“ gelegene bayerische Handelssiedlung zum zweiten deutschen Geigenbauzentrum neben dem sächsischen Markneukirchen aufsteigen konnte, bietet die Wirtschaftsgeschichte. Waren es im Vogtland böhmische Emigranten, deren Wissen das Fundament des neuen Wirtschaftszweiges legte, bestanden in Mittenwald ganz andere und überaus günstige Bedingungen für den Geigenbau:
Auf den Höhenlagen des Karwendelgebirges ließen sich hervorragende Tonhölzer schlagen; die Handelsstraße von Augsburg nach Bozen und Venedig, an der Mittenwald lag, bot den Mittenwalder Geigenbauern gute, internationale Absatzchancen – und zudem die Möglichkeit, von den bedeutenden Meistern Jakob Stainer in Tirol und Nicolo Amati in Norditalien zu lernen. Nicht ohne Grund verbindet das Violinmodell der Familie Kloz, das bis ins 19. Jahrhundert für den Mittenwalder Geigenbau maßgeblich war, Vorzüge der Tradition der beiden großen Meister Jakob Stainer und Nicolo Amati. 

Industrialisierung des Mittenwalder Geigenbaus und Gründung der Geigenbauschule


Neben dem Geigenbau begann in Mittenwald schon im 18. Jahrhundert die Professionalisierung des Handels; bereits im Jahre 1707 beschäftigte der vermutlich erste „Verleger“ J. Baader einen abhängigen Geigenbauer (Geige von J. A Baader & Co.). J. A. Baader & Co. entwickelte sich zum bedeutendsten Geigenhersteller Mittenwalds, neben Neuner & Hornsteiner (Neuner & Hornsteiner Geige). Wie im Vogtland auch industrialisierte sich der Mittenwalder Geigenbau im 19. Jahrhundert, um die hohe Nachfrage nach einfacheren und günstigeren Instrumenten zu befriedigen. Angesichts dem zunehmend spezialisierten, aber arbeitsteiligen Geigenbau suchte König Maximilian II. von Bayern das über Generationen erworbene traditionelle, handwerkliche Wissen der Geigenbaumeister zu sichern und gründete die Mittenwalder Geigenbauschule, wo bis heute der Mittenwalder Geigenbau für wenige, ausgewählte Schüler gelehrt wird.

Der neue Geigenbau in Mittenwald nach den Weltkriegen

Nach dem Ersten Weltkrieg brach der Geigenbau in Mittenwald zusammen und erlebte erst nach dem Zweiten Weltkrieg einen Neuanfang, der mit mehreren kleinen Meisterwerkstätten nun ganz im Zeichen der Tradition des hochwertigen handwerklichen Kunstgeigenbaus stand. Heute finden Besucher der Mittenwalder Geigenbauer im dortigen Geigenbaumuseum eine hochwertige Instrumentensammlung, eine historische Werkstatt und Informationen zu Meistern und der Geschichte des Geigenbaus in Mittenwald.

 

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